HAYA – vier Frauen – vier Geschichten – ein gemeinsames Ziel

HAYA sind Huluayesh, Amet, Yezena und Alem. Die vier Frauen wurden von Christine und Martina während 12 Tagen im Herstellen von Puppen ausgebildet. Gemeinsam haben sie die ersten Schritte in eine neue Zukunft getan.

Im Vorfeld haben Christine und Martina den Kurs für sechs Frauen mit Behinderungen angeboten. Am Ende haben vier Frauen die „Ausbildung“ abgeschlossen. Ausgewählt wurden sie von Addis Guzo in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden, dem Bureau of Social Affairs. Die grosse Skepsis der Frauen beim Einstieg hat nach zwei Wochen intensiver Arbeit einer noch grösseren Hoffnung Platz gemacht. 

Buntes „Chaos“ auf den Nähtischen

Aller Anfang ist schwer! Huluayesh gibt sich unmotiviert, Amet wirkt ungeschickt, Yezena erzählt von schlechten Erfahrungen mit ähnlichen Projekten und Alem hat zum ersten Mal eine Schere in der Hand. Mit grosser Geduld schaukeln Christine und Martina das unsichere „Boot“ durch die ersten „Wellen“ und gewinnen so das Vertrauen der „Passagiere“. In der zweiten Woche erzählen die Vier mehr und mehr von sich und ihren Lebensgeschichten.

Huluayesh, 27 Jahre

In der Region Amhara geboren, erlitt Huluayesh mit 4 Jahren eine Lähmung beider Beine (vermutlich durch Polio). Unter grosser Anstrengung kann sie mit zwei Unterarmstöcken gehen. Um die Schule zu besuchen, kam Huluayesh im Alter von 10 Jahren nach Addis. Zunächst wohnte sie bei einem Cousin, später in einem Waisenhaus. Seit 6 Jahren hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Sie weiss nicht, was aus ihr geworden ist. Nach der Schulzeit und einem Kurs für Sekretärinnen hat Huluayesh versucht einen Job zu bekommen. Es gelang ihr nicht. „They didn´t see my mind, they only saw my legs,“ sagt sie zum Warum. Bis zum Start der Ausbildung lebte sie von ca. 700-800 Birr im Monat (35 Franken. 500 Birr bezahlt sie für ihre Wohnung. Um durch zu kommen, verkaufte sie wie viele Andere Kleinigkeiten auf den Strassen Addis Abebas (Taschentücher etc).

Als sie von den Behörden kontaktiert wurde, um an einem Puppenkurs teilzunehmen, war sie überhaupt nicht begeistert. Zwei vergleichbare Massnahmen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation waren bereits gescheitert. Huluayesh war sehr skeptisch, hatte wenig Vertrauen, wirkte distanziert und unnahbar, tough und abgeklärt. Sie glaubte nicht an eine neue Chance, ihr Leben zum Besseren verändern zu können. Jetzt ist sie eine der fröhlichsten und geschicktesten Frauen in der HAYA – Gruppe.

Huluayesh – Ihr Wunsch für die Zukunft und was sie uns noch sagen wollte: „Ich möchte ohne fremde Hilfe für mich selbst sorgen zu können. Ich habe viel von Euch gelernt und von eurer Liebe. Thank you!“

Amet, 22 Jahre

Amet wurde in einem kleinen Dorf der Region Tigray im Norden Äthiopiens geboren. Sie hat 8 Geschwister. Amet besuchte bis zur 5. Klasse die Dorfschule. Als sie 6 Jahre alt war, begann ihre Erkrankung (auch bei ihr wird Polio vermutet). Sie fiel mehrfach hin. Als therapeutische Massnahme bekam sie mehrere Massagen, die aber keine Wirkung zeigten. Im Alter von 10 Jahren wurde Amet von einer Hilfsorganisation in ein Spital nach Addis gebracht. Ihr Vater konnte sie zwei Wochen begleiten. Danach fuhr er nach Hause zurück. Seither hat Amet weder ihre Eltern, noch ihre Geschwister je wieder gesehen. 6 Monate hat sie im Spital verbracht. Zu einer Verbesserung ihrer körperlichen Leiden kam es nicht. Nach dem Spitalaufenthalt lebte sie zunächst bei Verwandten und später bei immer neuen Menschen, die sie kurzfristig bei sich aufnahmen. Noch nie hat sie ihren Lebensunterhalt selbständig bestreiten können. Um ein kleines Einkommen zu generieren, verkaufte auch sie Kaffee oder Tee auf der Strasse.

Amet wirkt sehr zart, fast zerbrechlich, aber sie ist fleissig, zuverlässig, lernbegierig und hat einen starken Willen. Sie möchte um jeden Preis selbstständig werden, da sie bisher immer auf die Gnade und Almosen Anderer angewiesen war. Auch zu beginn unserer Ausbildung war ihre Unterkunft nicht gesichert. Mit ihrem ersten Einkommen und der Hilfe von Teferi konnte sie sich nun eine eigene kleine Wohnung mieten.

Amet – Ihr Wunsch für die Zukunft und was sie uns noch sagen wollte: „Mein Leben machte so keinen Sinn. Ich kann nicht immer von anderen Menschen leben. Ich will selber für mich sorgen können. Jetzt habe ich zum ersten Mal im Leben Hoffnung.“

Yezena, 35 Jahre

Yezena wurde in Bahir Dar, einer Stadt am Tanasee geboren. Zusammen mit einer Schwester und einem Bruder ist sie in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Im Alter von 5 Jahren bekam sie plötzlich hohes Fieber und ihre Krankheit (möglicherweise eine rheumatische) begann. Yezena wurde ins Spital gebracht. 9 Monate lag sie im Bett, aber eine Verbesserung der Situation stellte sich nicht ein. Ihre Familie hielt zu ihr und unterstützte sie. Regelmässig muss Yezena für Untersuchungen ins Spital. Sie ist körperlich wenig belastbar und klein gewachsen. Vor 26 Jahren kam sie nach Addis, um in die Schule gehen zu können. Mit 17 Jahren wurde sie schwanger und gebar ein Mädchen. „I hate men“, war ihre Antwort, als wir nach dem Vater des Kindes fragten. Sie lebt heute bei einer Tante. Ihre Tochter, die ans College geht, hat sie alleine gross gezogen. Bis vor kurzem arbeitete Yezena für 500 Birr (25 Franken) im Monat in einer Druckerei. Weil die Fabrik geschlossen wurde und sich eine andere Arbeit nicht finden liess, ist sie jetzt arbeitslos. Ähnlich wie Huluayesh musste sie bei Bewerbungen um eine bessere Anstellung Demütigungen und Ausgrenzungen wegen ihrer Behinderung hinnehmen.

Yezena machte sich vor dem Workshop grosse Sorgen, wie es in ihrem Leben weiter gehen soll. Jetzt ist sie voller Freude und Eifer mit im Boot. Sie ist clever, lernt schnell und arbeitet zuverlässig. Das Nähen an der Trittnähmaschine hat sie sich selbst bei gebracht. Von Anfang an kam sie mit einer sehr positiven Einstellung in den Workshop und sie steckt mit ihrer Lebensfreude an.

Yezena – Ihr Wunsch für die Zukunft und was sie uns noch sagen wollte: „I am very happy. My daughter ist happy too, because I have a new job. I want to work hard and later I want to help other handicapped people to have a chance.”

Alem, 27 Jahre

Alem stammt aus einer ländlichen Region bei Wollo. Sie durfte nicht zur Schule gehen und ist daher völlig ungebildet, kann weder lesen noch schreiben. Mit 13 Jahren wurde sie zwangsverheiratet. Mit 15 hatte sie beim Sammeln von Feuerholz einen Unfall. Ein Ast durchstach ihr linkes Auge. Alem hatte starke Schmerzen. Ärztliche Versorgung gab es weit und breit keine, so blieb das Auge unbehandelt. Die Familie und ihr Ehemann nahmen keine Rücksicht auf ihren Zustand. Sie lief von Zuhause weg und kam nach Addis Abeba. Heute ist Alem zum zweiten Mal verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Sohn Truben ist  6 Jahre alt und besucht eine staatliche Schule. Er ist Klassenbester. Eine Hilfsorganisation kommt für die Schuluniform und die Bücher auf. Ihr zweites Kind ist die kleine, 16 Monate alte Tochter Radit. Alems Mann arbeitet als Shoeshinner (Schuhputzer) und verdient ca. 800 – 1000 Birr (40 – 50 Franken) im Monat. Alem versuchte, auf der Strasse mit dem Verkauf von Kräutern und Weihrauch etwas dazu zu verdienen. Die Monatsmiete kostet 400 Birr.

Als der Anruf der Behörden für die Teilnahme am Ausbildungskurs kam, freute sie sich sehr. Zu Beginn war sie sehr schüchtern, zurückhaltend und sprach kaum ein Wort. Zur Arbeit kam sie mit Radit, ihrer Tochter. Sie band diese auf den Rücken oder sie hängte an die Brust. Alem hatte nie die Gelegenheit gehabt, etwas lernen zu dürfen. Sie stürzte sich regelrecht in die Arbeit. Obwohl sie etliche motorische Herausforderungen zu meistern hatte (z. B. schneiden und nähen zu lernen), entwickelte sie in kürzester Zeit enorme Fertigkeiten. Sie besitzt ein hohes Mass an praktischer Intelligenz und Geschicklichkeit. Nach der ersten Woche gelang es ihr, sich neue Arbeitsschritte nur durch Nachahmung selbst beizubringen. 

Alem – Ihr Wunsch für die Zukunft und was sie uns zum Schluss noch sagen wollte: „Ich habe so viele schlimme Situationen in meinem Leben durchstehen müssen und möchte ein besseres Leben für meine Kinder und nicht mehr von Almosen leben müssen. Ich bin jetzt voller Hoffnung für die Zukunft.“

In zwei Wochen haben Christine und Martina zusammen mit den vier Frauen unglaublich viel erreicht: Alle Arbeitsschritte konnten geübt und gefestigt werden; Zur Beschaffung der Grundmaterialien wurden einige Geschäfte ausfindig gemacht; erste Verkaufsmöglichkeiten wurden gefunden (Tropical Garden: Markt für Kunsthandwerk); einige der Puppen sind bereits verkauft und das bedeutete ein erstes Einkommen; und dank vielen Gesprächen fassten die vier Frauen Mut für die Zukunft. Sie sind hochmotiviert, ihre Chance zu packen. 

Teferi, der Projektleiter von Addis Guzo Äthiopien, wird den HAYA-Frauen erste Kenntnisse über das Führen eines Geschäftes vermitteln. Danach werden sie eine Genossenschaft gründen und eine Mikrobusiness-Zertifizierung beantragen. HAYA soll selbständig und unabhängig werden.

Arbeitsgemeinschaft: Gespräche während der Pause

HAYA – Huluayesh, Amet, Yezena, Alem mit Radit

Ihre Puppen können bei uns gekauft oder bestellt werden info@ronerepe

HAYA-Puppen

Und ausserdem bei Addis Guzo:

Die Gruppe „Näharbeiten“ hat ihre Grundausbildung abgeschlossen und erhielt bei einer kleinen Feier ihr Zertifikat. Weitere Kursideen konkretisieren sich. Ein Konzept für „Therapie, Ausbildung und Sport“ haben wir zu Papier gebracht. Allerdings fehlen uns zur Umsetzung noch die notwendigen finanziellen Ressourcen.

Gruppe „Nähen“ in Aktion

Geplant ist auch der Ausbau unserer Aktivitäten in der Region Oromiya. Aus den in der Schweiz gekauften, leeren Containern sollen in vier Städten erste kleine Werkstätten entstehen. Auch dazu benötigen wir neue Mittel. Zum Beispiel müsste ein zweites Projektauto angeschafft werden, da die verschiedenen Orte nur schwer zu erreichen sind.

Werkstatt unterwegs

Die Werkstatt in Addis läuft super. Das Team leistet nach wie vor hervorragende Arbeit.

Still hardest working team in town

Teferi, unser „Country Director“ ist der starke Mann bei Addis Guzo. Mit grossem Engagement hält er das Projekt auf Kurs, auch dann wenn sich die Behörden wieder mal querstellen.

Besucher erhalten von Teferi einen Einblick in unsere Arbeit

Die „Addis-Guzo-Familie“ wird grösser:

·      Abiye, unser allererster Mitarbeiter, hat geheiratet. Seine Frau Hiwan erwartet ihr erstes Kind.

·      Meron, die starke Frau im Team, ist mit ihrem zweiten Kind schwanger.

·      Franziska, unsere externe Projektbegleiterin, hat Elia, einen kleinen Goldschatz adoptiert und erwartet zudem schon bald ein eigenes Baby.

Hiwan und Abiye tauschen die Ringe, wir wünschen „all the best!“

Meron mit Kundin in der Region Oromiya

Klein Elia

Mit herzlichem Gruss, Bäne Wissler, Addis Guzo Schweiz

Unsere Kunden haben viele Gesichter.